Dr. Markus Rente
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Abwicklung von Pflichtteilsansprüchen

 

Was ist der Pflichtteil?

Ein Pflichtteil ist grundsätzlich eine unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.04.2005, Az. 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03). Die Pflichtteilsberechtigung gibt einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch in der Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 BGB).


Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Der Pflichtteilsanspruch steht Abkömmlingen (d.h. Kinder, Enkel, Urenkel etc.), den Eltern und dem Ehegatten des verstorbenen Erblassers zu.

Allerdings sind entferntere Abkömmlinge und Eltern insoweit nicht berechtigt, als ein Abkömmling vorhanden ist, der sie bei gesetzlicher Erbfolge ausschließen würde (beispielsweise gehen Kinder den Enkeln vor).


Verhältnis von Pflichtteil und Testierfreiheit 

Der Erblasser ist darin grundsätzlich frei, wen er zu seinem Erben beruft (Testierfreiheit,vgl. § 2302 BGB). Die Testierfreiheit gibt dem Erblasser die Möglichkeit, nahe Verwandte zu enterben. Das Pflichtteilsrecht begrenzt zwar die Testierfreiheit wirtschaftlich, weil es die Erbmasse mit einen Zahlungsanspruch belastet. Dennoch geht die Erbmasse direkt auf den Erben über, d.h. insbesondere die einzelnen Erbschaftsgegenstände, so dass der Pflichtteilsberechtige daran keine Rechte erhält. Der Pflichtteilsberechtigte kann stattdessen die Zahlung des Pflichtteils von dem Erben verlangen.  

Beispiel: Die Erbschaft (Wert: 100.000,00 €) enthält ein Sammlerfahrzeug PKW Porsche Oldtimer Der Erblassers setzt einen Freund als Alleinerbe ein, und enterbst seinen einzigen Sohn (der als einzig in Betracht kommender gesetzliche Erbe) Der Sohn hat einen Pflichtteilsanspruch auf Zahlung von 50.000,00 € gegen den Erben. Das Fahrzeug geht jedoch in das Eigentum des Freundes über.

Es gibt viele Gründe, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen, z.B. wollen Ehegatten sich einfach gegenseitig durch ein sog. Berliner Testament absichern, wodurch die Kinder jedoch erst einmal enterbt werden. 

Der Pflichtteilsanspruch ist zwingendes Recht, d.h. er kann nicht durch bspw. durch Testament ausgeschlossen werden. Es ist aber möglich, einer sog. „Pflichtteilsklausel" aufzunehmen, die einen Abkömmling von der Ausübung seines Pflichtteilsanspruches abhalten soll, beispielsweise: „Sollte eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil fordern, so erhält es beim Tode des Letztversterbenden ebenfalls nur den Pflichtteil." Wenn eine solche Klausel in einem Testament enthalten ist, sollten Pflichtteilsberechtigte ihr Vorgehen sorgfältig abwägen.

Auch Unternehmer können den Übergang ihres Unternehmens durch Erbfolge regeln (sog. Unternehmertestament). Sie haben teilweise auch Möglichkeiten außerhalb der Erbfolge (z.B. durch Gesellschaftsvertrag oder anderweitige Übergabe zu Lebzeiten).


Höhe des Pflichtteils

Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs.1 S.2 BGB).

Beispiel: Der Erblasser hinterlässt zwei Kinder. Gesetzlicher Erbteil wäre für jedes Kind ½, der Pflichtteil beträgt für jedes Kind die Hälfte daraus, somit ¼.


Helfende Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung

Der Nachlasswert ist oft unklar, wenn ein Erbfall eintritt. Die gesetzlich vorgegebene „Hälfte des Wertes“ muss also in der Regel erst ermittelt werden. Entsprechend hat der Pflichtteilsberechtigte neben seinem eigentlichen Zahlungsanspruch auch Hilfsansprüche auf Auskunft und Wertermittlung (§ 2314 BGB). Er kann vom Erben die Vorlage eines privatschriftlichen oder notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen. Es muss Auskunft über die Aktiva und Passiva des Nachlasses geben. Weiter kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben auch Auskunft darüber verlangen, welche Schenkungen der Erblasser getätigt hat, i.d.R. bezogen auf Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall.

Wenn sich Unternehmensbeteiligungen, Immobilien bzw. andere werthaltige Gegenstände (z.B. Kunst oder Schmuck) im Nachlass befinden, deren Wert nicht unmittelbar beziffert werden kann, hat der Pflichtteilsberechtigte gegenüber den Erben auch Anspruch auf eine Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses. Er kann vom Erben die Vorlage eines Sachverständigengutachtens verlangen, damit er den Wert einschätzen kann.

Der (bereinigte) Nachlasswert ergibt sich, in dem Passiva von den Aktiva in Abzug gebracht werden. Daraus kann der Pflichtteilsberechtigte dann nach seiner jeweiligen Pflichtteilsquote seinen Pflichtteil berechnen.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt regelmäßig drei Jahren, spätestens jedoch nach 30 Jahren.


Den Pflichtteil geltend machen!

Das Nachlassgericht wird nicht von sich aus tätig. Pflichtteilsberechtigte müssen den Pflichtteilsanspruch selbst geltend machen, in der Regel schriftlich gegenüber dem Erben.

Bei der Geltendmachung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs ist es sinnvoll anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schon die Geltendmachung des Pflichtteils kann vor dem Hintergrund eines Testaments rechtliche Fallstricke enthalten, und auch bei der Durchführung des Auskunftsanspruches, der Prüfung von Einzelpositionen und der anschließenden Durchsetzung eines Pflichtteilsanspruches sollten Ihrer Rechte professionell ausgeführt werden.